Die Deutschen in der Vojvodina in Augen der jugoslawischen Behörden vor und nach dem Zweiten Weltkrieg – Zoran Janjetović, PhD

 

Das Bild der deutschen Minderheit in der Vojvodina in den Augen der jugoslawischen Behörden änderte sich mit der Zeit und hang mit unterschiedlichen Faktoren zusammen. Es wurde also, historisch, geographisch, ethnographisch und politisch bedingt. In diesem Beitrag werden wir versuchen zu zeigen welche Faktoren zu gewissen Zeitpunkten dieses Bild bestimmten und wie sie sich auf das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, und besonders in der Vojvodina schließlich auswirkte.

Seit der Ansiedlung der Slawen in Südosteuropa siedelten die Serben auf dem Territorium der heutigen Vojvodina. Ihre Siedlungsdichte und Zahl änderten sich während der Jahrhunderte. Deutsche gab es im Gebiet auch schon im Mittelalter, vor allem in den Städten. Wie die meisten Ungarn, verschwanden sie während der Osmanenherrschaft. Nach der Befreiung Ungarns von den Türken, beganen die staatliche, adlige und kirchliche Behörden das neugewonnene Terriotirum wieder zu besiedeln, da die Zahl der dort lebenden Serben, Rumänen und anderer nicht hoch genug war um das Gebiet wirtschaftlich produktiv und militärisch sicher zu machen. Unter den Kolonisten unterschiedlicher Nationalität, gab es auch viele Deutschen, die mit ihrer Lebensweise die Bevölkerung ganz Ungarns wesentlich prägen sollten. Nach der großen Serbenauswanderung 1689/90, die ihre Zahl erhöhte, wurden auch Serben angesiedelt, vorwiegend als Wehrbauern in der Militärgrenze. Das gespannte Zusammenleben der Mitglieder zweier Völker hat sich ins historische Gedächtnis der Serben tief geprägt und soll das Bild der Deutschen in der Vojvodina in den Augen der jugoslawischen Behörden nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg mitbestimmen.

Während des Kolonisierungsprozesses, konnten die beteiligten Menschen –sowohl die Einheimischen, als auch die Ansiedler- nur wenig die Entscheidungen der Behörden beeinflüßen. Die Behörden entschieden wo und unter welchen Bedingungen angesiedelt werden sollte, und wer dafür Platz machen, das Land vorbereiten, Häuser bilden oder die Neuankommlingen ins Haus nehmen sollte. Da die Serben dort schon waren, so waren sie die in vielen Fällen mit ihren Herden weichen mußten um die Landflächen für die deutschen und anderen Ansiedlern frei zu machen. In vielen Fällen, mußten sie die Felder für Kolonisten bebauen, oder Häuser für sie bauen. Besonders unangenehm – und zwar für beide involvierte Parteien – war es wann die Serben die deutsche Kolonisten in ihren Häusern aufnehmen mußten, bis ihre eigene gebaut wurden. In den serbischen Augen machte all das den Eindruck, daß die Habsburger-Behörden die Deutschen bevorzuegten zugunsten der älteren serbischen Bevölkerung. Dieses Bild war nur teilweise korrrekt und stammte vor allem aus den unterschiedlichen serbischen und deutschen Lebensweisen, bzw. deren Nützlichkeit für die neuen Landherren. Im Volksgedächtnis verbliechen die Fälle, wo die Serben bevorzügt wurden und wo die Deutschen Platz für sie machen mußten.

Die Deutschen kamen aus kulturel und wirtschaftlich besser entwickelten Mitteleuropa und brachten die neue Arbeitstechniken in die neue Heimat mit. Das war, ja ein der Ziele der Behörden. Die bessere Arbeitstechniken wurden mit Sparsamkeit und behördlich gegebenen Vorteilen gekoppelt, so daß sich die deutsche und andere Ansiedler besser entfalten konnten, als die einheimische Serben oder Rumänen die kulturel und wirtschaftlich nicht so hoch standen und die vor allem Viehzucht trieben. Obwohl auch die deutsche Ansiedler gewaltige Anfangsschwierigkeiten hatten, die eben benannten Vorteilen ermöglichten den Schwaben (wie man bald die deutsche Kolonisten benante) almählich wirtschaftlich voranzukommen und in vielen Orten das Land von den Serben zu kaufen. Darum wurde diese gesteigerte Wirtschaftsmacht als eine gefährliche Konkurenz und sogar als nationale Bedrohung von den serbischen Nationalisten im 19 Jahrhundert betrachtet. Diese Sichtweise sollte während der Habsburger-Herrschaft engere Zusammenarbeit zwischen Mitglieder der zwei Völker vorbeugen und wichtige Folgen für die Betrachtungsweise der jugoslawischen Behörden haben.

Allerdings war der Unterschied in Wirtschaftskraft nicht der einzige Grund der die politische Zusammenarbeit verhinderte und die für ethnische Spannungen zwischen Serben und Deutschen sorgte. Die Serben und die Deutschen hatten unterschiedliche Mentalitäten, die historisch geformt wurden. Seit dem Mittelalter standen die Serben unter dem kulturellen Einfluß der Byzanz und gehörten der Orthodoxen Kirche an. Durch die lange Jahrhunderte der Osmanenherrschaft versuchten sie ihren Glauben, und dadurch ihre Nationalität zu bewahren, was es ihnen in meisten Fällen unter schwierigsten Bedingungen gelang. Die meisten Donauschwaben warten aber Katholisch und dadurch, wie durch die gemeinsame Sprache, mit den Habsburgerbehörden verbunden. In der alten Heimat stand für sie nicht die ethnische oder religiöse Behauptung im Vordergrund, sondern vor allem das wirtschaftliche Überleben. Wirtschaftliche Gründe waren für ihre Auswanderung sowohl ins Übersee, als auch nach Südosteuropa maßgebend. Darum war ihre Mentalität materialistisch und individualistisch.

Als im 19 Jahrhundert Nationalerwachen der Völker in Ungarn began, standen die Schwaben, in ihren isolierten Dörfern allein da: andere Völker kämpften für Nationalrechte und die meisten Deutschen waren vor allem an ihr eigenes Privat- und Wirtschaftsleben interessiert. Wenn sie politische Sympathien hatten, galten sie gewöhnlich den gegen Wien rebelierenden Magyaren. Aus diesen Gründen wurden sie von den serbischen Aufständischen in der Revolution 1848 feindselig betrachtet. Die serbischen Versuche Kontrolle über deutschen und anderen nicht-serbischen Dörfern zu gewinnen, sowie serbische Übergriffen, stärkten die deutschen Sympathien für die Magyaren, was schließlich zu einige blutige Zusammenstöße führte. Die serbische national-idealistische Sichtweise prallte mit den materialistisch vor nationalen der Donauschwaben zusammen. Damals konnten die serbischen Führer die Deutschen in der Vojvodina als magyarische Hilfssoldaten betrachten – ein Bild das in den letzten Jahrzehnten des Habsburgerreiches noch viel gestärkt wurde und das die jugoslawische Behörden nach 1918 zu eigen machten.

Dazwischen stand aber noch eine Episode die den Vorwurf der „Germaniserung“ stärken sollte. Dieser Vorwurf wurde gegen die Habsburgerbehörden seit der Zeit Josefs der II erhoben und die zerstreute deutsche Bevölkerung Ungarns mußte darunter leiden nur weil sie die gleiche Sprache mit den Wiener Machthabern teilte. Dabei blieb bis in 1840-er Jahren die Latein die Staatssprache, und danach ungarisch. Jedoch, nach der gescheiterten ungarischen Revolution setzte aus Wien gesteuerte Zentralisierung ein. Deutsch wurde die Amtssprache, obwohl die meisten Beamten Tschechen, Slowenen und andere nicht-Deutsche waren. Obwohl diese Vorherschaft des Deutschen nur bis 1867 dauerte, blieb das Odium der angeblichen „Germanisierung“ an den Ungarndeutschen haften.

Der Umbau der Habsburger-Monarchie in einen Doppelstaat lieferte sowohl die Serben, als auch die Deutschen in der Vojvodina den stark nationalistisch gesinnten ungarischen Behörden aus. Dank dem konfessionellen Unterschied und der kirchlichen Autonomie, waren die Serben besser gewappnet ihre nationale Identität zu bewahren als die Deutschen, die die gleiche Konfessionen wie die Magyaren angehörten und bei der Nationalbewußtsein bei weitem nicht so entwickelt war wie bei den Serben, Magyaren oder Rumänen. Wie schon gesagt, hatten sie Interesse vor allem an wirtschaftlichen Fortkommen. Der neue ungarische Nationalstaat bot ihnen gute Voraussetzungen dafür: während der letzten Jahrzehnten der Existenz Österreich-Ungarns war die Wirtschaftsentwicklung in vollem Schwung. Ebenso waren die neue Staatsbürokratie und das Schulwesen. Das gute daran war: die Beamtenkarriere stand jeden patriotischen Magyare offen. Da viele Donauschwaben emporkommen wollten, magyarisierten sie sich gerne, um Posten im Staatsapparat zu bekommen. Darum und aus Sparsamkeit haben sie die Gemeindeschulen an den Staat abgetreten. Die Schule wurde weiter vom Staat unterhalten, aber die Unterrichtsprache wurde ungarisch. Viele Schwaben waren mit diese Lösung ganz zufrieden: sie hatten niedrigere Ausgaben und ihre Söhne konnten die Amtssprache perfekt erlernen, was ihnen das Besuchen von höheren Schulen und das Eintreten in den Staatsdienst ermöglichte. Viele gingen soweit, daß sie ihre Namen magyarisierten.

Andere, nichtprivilegierte Nationalitäten betrachteten dies mit Unmut und Besorgnis. Für sie wurden die Deutschen nicht nur eine gefährliche Wirtschaftskonkurenz, sondern jetzt auch eine unerwünschte zahlenmäßige Stärkung des Ungarntums – das sonst eine Minderheit im Lande darstellte. Dieses Bild von ungarnfreundlichen Schwaben soll die Politik der jugoslawischen Behörden gegenüber der Donauschwaben, besonders in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, wesentlich mitbestimmen.

Das Habsburger-patriotische Verhalten der Deutschen in der Vojvodina in den Tagen nach der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand, sowie feindselige Haltung gegenüber Serben in manchen Orten, schienen dieses Bild der Habsuburger-treuen und ungarnfreundlichen Schwaben zu bestätigen. Darum galt es für die jugoslawische Behörden nach dem Krieg dieses Verhaltensmuster der Deutschen zu ändern.

Die Vojvodina wurde während des Ersten Weltkrieges nicht viel in Mitleidenschaft gezogen, wohl aber die Menschen die an unterschiedlichen Fronten weit von der Heimat kämpften. Das Ende des Krieges kam mit dem Belgrader Waffenstillstand am 13. November 1918. Südungarn wurde friedlich von den serbischen Truppen besetzt. Obwohl der Waffenstillstand eine rein militärische Angelegenheit war (d.h. er hätte für die künftige Friedensregelung nichts zu bedeuten sollen), handelten die serbischen Machthaber mit dem Ziel das eroberte Terriotorium für immer an sich zu reißen. Der Grund fand man in der historischen Rolle, die das Gebiet in serbischer Geschichte spielte, in der sehr langen historisch bekundeten serbischen Präsenz, in den zahlreichen serbischen Kirchen und Klöstern, in den prominenten serbischen Kulturschaffenden aus dem Gebiet, sowie in der Tatsache daß die Slawen (Serben, Slowaken, Bunjevci, Schokatzen) eine relative, und nicht-Magyaren, eine absolute Mehrheit besaßen.

Die Große Volksversammlung mit fast ausschließlich slawischen (mehrheitlich serbischen) Abgeordneten, stimmte am 25. November 1918 für Vereinigung der Vojvodina mit Königreich Serbien. Unter den Abgeordneten (die überhaupt nicht demokratisch gewählt worden waren) befanden sich sechs Deutsche und ein Ungar. Daraus kann man auf die Denkweise der führenden serbischen Politikern schließen: Ungarn galten als ganz unzuverläßig, ja feindlich, und ihnen konnte man nur einen Abgeordneten gewähren. Die Deutschen aber bekamen sechs, dank der kleinen nationalbewußten Gruppe, die die ungarländische Volkspartei leitete, die gerade in überwiegend von den Serben gesiedelten Teilen Südungarns entstanden worden war und dort ihre Hausmacht hatte. Die Führer der Partei hatten freundliche Kontakte mit führenden serbischen Politikern, die meisten Deutschen aber galten, wegen ihrer Ungarnfreundlichkeit, als unzuverläßig oder feindselig.

Trotzdem, unter den geänderten Umständen, wurde es sehr wichtig die Deutschen zu gewinnen, denn mit ihnen hätten die Slawen die absolute Mehrheit gegenüber die Magyaren, was ein wichtiges Argument für die künftige Friedenskonferenz werden sollte: im Zeitalter des Nationalismus, nach der Selbstbestimmungsrecht proklamiert worden war, konnte der geäußerte Wille des Volkes großes Gewicht haben. Die führenden serbischen Kreisen hatten dabei sowohl Vorteile, als auch Nachteile. Der Hauptvorteil war ja die tatsächliche militärische Okkupation Südungarns, die ihnen ermöglichte den ungarischen Staatsapparat teilweise abzubauen, bzw. unschädlich zu machen und auf die Bevölkerung einzuwirken. Der Hauptnachteil war daß die meisten Deutschen wenig Nationalbewußstsein besaßen und ungarnfreundlich waren. Die meisten würden am liebsten in einem reformierten Ungarn bleiben.

Die Ungarndeutschen (nach dem Muster anderer Nationalitäten die ihre Nationalräte gegründet haben) haben zwei verfeindete Nationalräte gründeten. Der eine, mit Professor Jakob Bleyer an der Spitze, trat für Integrität Ungarns und Gleichberechtigung der Deutschen ein. Der andere, vom radikalen sächsischen Abgeordneten Rudolf Brandsch geführt, war nicht so unbedingt ungarntreu. Er hatte den stärkeren Einfluß in Südungarn, so daß der Schwäbischen Volksrat, der Anfang November unter Bleyers Enfluß in Temeswar gegründet worden war, bald zu existieren aufhörte. Im Schwäbischem Volksrat waren mäßige donauschwäbische Politiker des Banats vereinigt, mit der Absicht das Banat als autonomen Teil eines reformiertes Ungarn zu behalten.

Unter solchen Umständen mußten sich die führenden serbischen Kreisen bemühen, die unentschiedenen und nationalbewußten Schwaben für eine Vereinigung der besetzten Territorien mit Serbien zu gewinnen. Sie konnten sich dabei auf Brandsch´s Deutscher Volksrat für Ungarn stützen in dem viele nationalbewußte deutsche Politiker aus Südungarn, die mit den serbischen schon früher zusammenarbeiteten, vertreten worden waren (Reinhold Heegn aus Werschetz, Stefan Kraft aus Insdia, Josef Bolz aus Neu-Schowe, Friedrich Heß aus Neusatz.) DVU wollte eine Autonomie der Deutschen in Ungarn und seine Loyalität gegenüber dem historischen Ungarn war zweifelhaft.

Die Lage verschärfte sich als die Südslawen und Rumänen am 1. Dezember 1918 die Vereinigung „ihrer“ Länder in das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, bzw. in Großrumänien proklamiert haben. Dies bedeutete di Schaffung der vollendeten Tatsachen fiel vor der Friedenskonferenz, aber die Situation war noch weit davon, um international anerkannt zu sein. Die Banater Schwaben spalteten sich jetzt nicht nur in Hinsicht auf die territoriale Integrität Ungarns, sonder auch in Hinsicht wem das Banat angehören soll wenn es von Ungarn getrennt werden sollte, bzw. ob es zwischen Jugoslawien und Rumänien geteilt werden sollte. Sowohl die Serben, als auch die Magyaren und die Rumänen, hatten „ihre“ Schwaben die sie durch manigfaltige Konzesionen für sich zu binden versuchten. Im März 1919 wurde Ungarn plötzlich nicht mehr so attraktiv, wegen der kommunistischen Regierung Bela Kuns.

Im Rahmen der Gewinnung der Schwaben machten serbische Führer (lokale und in der Regierung) verschiedene Versprechungen. Außerdem, wurden die Verprechungen im besetzten Gebieten weitgehend mit den Taten gepaart: ungarische Beamten wurden versetzt und fortgejagt, ungarische Schulen, bzw. Schulklassen in denen es mehr nicht-Ungarn als Magyaren gab, wurden geschlossen und in nicht-ungarische verwandelt. Auf diese Weise wurde in vielen ehemaligen deutschen Schulen nach mehrere Jahrzehnten wieder Deutsch als Unterrichtssprache eingeführt. Serbischerseits wurde sogar eine deutsche Universität in Temeschwar in Aussicht gestellt, falls die dortigen Deutschen eine jugoslawische Annexion unterstützten. Zu diesem Zweck organisierte man Massenkundgebungen und Entsendung der Briefe und Delegationen nach Paris, wo die Friedenskonferennz im Februar 1919 traf. Als Zeichen besonders guten Willens wurde im Februar 1919, nach der Abschaffung ungarischer Verwaltung, Reinhold Heegn für Temeschwarer Großspan benannt.

Allerdings, mit der Eröffnung des Friedenskonferenz war die Lage vor Ort nicht mehr so wichtig: über die künftigen Grenzen entschieden die Allierten Staatsmänner ohne sich viel um die Wünsche der betroffenen Bevölkerung zu kümmern. Besonders die Deutschen, als „besiegten“ waren kaum in der Lage, ihr eigenes Schicksal zu beeinflußen.

Jedoch, mit der Ziehung der neuen Grenzen, war die Frage der deutschen Loyalität nicht gelöst. Jeder neuen Staat mußte sich bemühen, die innerhalb ihrer Grenzen lebenden Deutschen für die neue Situation zu gewinnen, bzw. sie den Deutschen akzeptabel zu machen. Im Königreich SHS gab es in dieser Hinsicht drei unterschiedliche Politiken die auf unterschiedlichen historischen Erfahrungen der führenden südslawischen Völker, an unterschiedlichen Zahlen der Deutschen und unterschiedlichen Wirtschaftskraft der jeweiligen deutschen Minderheiten in verschiedenen Landesteilen basierte.    

 

Nov. 2018